• Claus Amarell, Heiko Engelhardt und Sascha Teuteberg beim
    Aufstellen der Fachwerkkonstruktion

Rekonstruktion Mittelalterhaus

Der Landkreis Northeim hat in Nienover die Rekonstruktion einer mittelalterlichen Parzelle mit einem städtischen Fachwerkhaus aus der Zeit um 1230 im Maßstab 1:1 entstehen lassen. Das sogenannte Mittelalterhaus. Im Sinne der Experimentellen Archäologie versteht sich die Rekonstruktion als ein nicht endender Prozess, sodass von einer Annäherung an die tatsächlichen früheren Verhältnisse gesprochen werden kann – und nicht mehr. Wissenschaftliche Grundlage hierfür waren in erster Linie die umfassenden archäologischen Grabungen und die Expertise des Bauhistorikers Dr. Hubertus Michels.

Mit den ortsüblichen Baumaterialien dieser Zeit und mit traditioneller Handwerkstechnik wurde eine begehbare und begreifbare Architektur errichtet. Dabei wurde versucht, unter Einhaltung der örtlichen Bauvorschriften ein Höchstmaß an Authentizität zu erreichen – jedoch nicht, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Als Handwerker sind hier im Besonderen die Tischlerei Claus Amarell, die Zimmerei Heiko Engelhardt und Sascha Teuteburg zu nennen, die mit Ihrer profunder Fachkenntnis und Begeisterung den Holzbau realisierten.

Bauphasen

Fachwerkkonstruktion

Das Fundament/ Ausgangspunkt für die Hausrekonstruktion ist der gut erhaltene Keller (Befund 300) und die durch die archäologischen Grabungen im Vorderhaus nachgewiesenen Bauelemente wie, z.B. Pfostengruben und Schwellbalkenkonstruktionen.

Neben den archäologischen Befunden aus den Grabungen in der Stadtwüstung Nienover selbst, mussten auch Befunde anderer archäologischer Fundplätze des 12. / 13. Jahrhunderts aus der Region (Weserraum) einbezogen werden. So gelang es, weitere Informationen zur Konstruktion des Hausgerüstes und des Fachwerkwandaufbaus zu erlangen. Darüber hinaus wurde auch auf einzelne noch erhaltene Bauelemente städtischer Häuser des 13. und 14. Jahrhunderts aus der Region, wie z.B. in Göttingen, Höxter, Minden und Soest Bezug genommen.

Im Winter 2006/2007 fiel schließlich der Startschuss mit der Auswahl und dem Schlagen der Eichen in den Niedersächsischen Landesforsten. Die Eichenstämme für die Fachwerkkonstruktion wurden im Sägewerk maschinell zerlegt und dann bis auf wenige Hölzer/Gefüge, die unter Putz oder in einem nicht sichtbaren Bereich liegen, mittels Dechsel per Hand überarbeitet. Ziel war es, dass die Prinzipien der angewandten historischen Handwerkstechnik, soweit wie wirtschaftlich möglich, erkennbar bleiben sollten. Am 18.07.2007 begannen die Richtarbeiten vor Ort.

Da frisch geschlagenes Eichenholz für den Bau verarbeitet wurde, zeigten sich bereits nach wenigen Wochen Pilzbefall, Risse und Verwerfungen im Holz. Infolge dessen mussten einige Hölzer ersetzt und nachgearbeitet werden. Glücklich konnte dann am 19.10.2007 das Richtfest gefeiert werden.

 

Gesamtplan mit Parzellenstruktur und Keller (Befund 300) ©König

Richten der Fachwerkkonstruktion

Detail mit Kemenate

Bauzeichnung. Grundriss mit Keller ©Michels

Fachwerkkonstruktion

Aufbringung der Dachlattung ©Heitkamp

Bauzeichnung. Giebelseite mit Verbohlung ©Michels

Detail mit Schwalbenschwanzverbindung

Richtfest am 19.10.2007

Gefache und Böden

Ab September 2007 wurde mit der Füllung der Gefache mit Flechtwerk begonnen und die Lehmbauarbeiten schlossen sich an. Im Rahmen einer Teambuilding-Maßnahme legten auch Mitarbeiter des Bauamtes des Landkreises Northeim hochmotiviert selbst Hand an. Das nasse und kalte Wetter im Herbst 2007 führte dazu, dass der Fachwerklehm nicht mehr austrocknete und diese Arbeiten auf das Frühjahr 2008 verschoben werden mussten. Auch die richtige „Lehmrezeptur“ bzw. das Mischungsverhältnis für die Erstellung der Lehmgefache und der Fußböden musste erst im Experiment ermittelt werden.

Um bei Veranstaltungen eine indirekte Beleuchtung erzielen zu können, wurden als Kompromiss moderne Vorrichtungen für Stromanschlüsse und Leitungen an verdeckten Stellen angebracht.

Lehmbauarbeiten mit Unterstützung des Bauamtes

Lehm wird verstrichen ©Senger

Lehm wird in die Gefache eingebracht

Fachbereichsleiterin Jennifer Diederich im vollen Einsatz

Dacheindeckung

Die Wahl der Dacheindeckung fiel aus Kostengründen auf Lärchenholz- und nicht auf die kostenintensiveren Eichenholzschindeln. Diese wurden aus Gründen der Haltbarkeit, zulasten der historischen Überlieferung, auch nicht mit zeitgenössischen Holznägeln oder handgeschmiedeten Eisennägeln befestigt, sondern mit modernen Metallstiften. Aus Gründen der Authentizität wurde aber auf die Anbringung von Regenrinnen und Blitzableitern verzichtet.

Im Oktober 2007 wurde die Dacheindeckung fertiggestellt und am 28.02.2008 erfolgte die Endabnahme der Zimmerarbeiten. Pünktlich zur Sommersaison konnte das Mittelalterhaus im Mai 2008 sein Tor für die Besucher öffnen.

Dacheindeckung mit Holzschindel

Dach mit Holzschindeln

Dacheindeckung mit Holzschindel

Dach mit Holzschindeln

© Landkreis Northeim